Für ihre Zuschauer gibt sie sich die größte Mühe, so scheint es. Gleich muss er kommen, der tosende Applaus von allen, die in der ersten Reihe direkt am Wasser sitzen. Aber die große Bühne ist nicht etwa ein schwimmendes Freilichttheater, sondern der Horizont, der zwischen den Schäreninseln Westschwedens zu erspähen ist und an dem die Sonne einen farbenfrohen Abschied zelebriert. Im letzten Akt scheint sie rot glühend im Meer zu versinken. Fehlt nur noch das laute Zischen beim Erlöschen ihrer vermeintlichen Flammen.
Das sind die bezaubernden Momente, die Camper an der Westküste Schwedens in diesem Sommer fast täglich erlebt haben. Pärchen sitzen verteilt auf den warmen Felsen, um nach diesem spektakulären und zugleich romantischen Naturschauspiel den Tag ausklingen zu lassen.
Wir sind im quirligen Fischerörtchen Smögen auf der gleichnamigen Insel mit seinen bunten Holzhäuschen in denen Kunsthandwerk, Mode und Segelzubehör verkauft wird. An den Fischständen lassen sich die Touristen überdimensionale Lachs- und Krabbenbrötchen schmecken. Die Metallseile der Segelboote klappern an den Masten, die Pfänder quietschen, wenn sie im Rhythmus der kleinen Wellen an den Holzsteg gedrückt werden und die Fähnchen, die Auskunft über die Herkunft der Bootseigner geben, wehen im leichten Westwind.
Das Festland ist von Smögen aus über eine Brücke erreichbar, an deren Ende der kleine Ort Kungshamn liegt. Von hier aus sind es nur knapp drei Kilometer bis zum Campingplatz Wiggersvik’s, der sich in einzigartiger Lage am Wasser befindet. Aber wie entstand dieser wunderschöne Platz, umgeben von kleinen Schäreninseln eigentlich? Algot, der Großvater des heutigen Betreibers Ulf Algsten wurde 1947 von einem Mann gefragt, ob dieser sein Zelt auf der Wiese neben dem Haus direkt am Wasser aufbauen dürfe. Damals packten die Camper einfach ihre Tasche, nahmen die Gitarre unter den Arm und das Zelt auf den Rücken. Ziel war es, draußen im Grünen der Natur möglichst nahe zu sein, frei von Zwängen und Regeln. Nicht umsonst hatte Camping den Ruf, der Zustand zu sein, in dem der Mensch seine eigene Verwahrlosung als Erholung empfindet. Infrastruktur wie Duschen und Toiletten gab es damals noch nicht. Diese kamen erst Mitte der 1960er Jahre und so entstand auch der Campingplatz Wiggersvik’s.
Inzwischen hat sich dieses Bild aber komplett gewandelt. Camping ist nicht mehr nur der Urlaub für die, die kein Auto haben oder sich keine Flugreise leisten können. Camping ist ein Lebensgefühl geworden, das mitunter auch sehr luxuriös ausfallen kann.
Neben den klassischen Zelten gibt es die Wohnwagen, die besonders bei Dauercampern sehr beliebt sind. Liebevoll werden hier Gärten hinter kleinen Zäunen angelegt und individuell geschmückte Veranden runden das Bild ab. Die obere Klasse bilden die bis zu 10 Meter langen Hightech-Wohnmobile, die auf die Campingplätze cruisen und bei denen das Leben oft nur im Inneren stattfindet. Sofaecke, Fernseher, Kaffeemaschine und Backofen – es fehlt an nichts. Meterlange Kabel werden zum nächsten Stromanschluss gelegt und dann die Antennen für den perfekten Fernseh-Empfang ausgerichtet.
Pascal und Kristin aus Hamburg fühlen sich da doch ein bisschen underdressed mit ihrem alten VW LT. Das liegt aber auch daran, dass sie bei ihrem ersten Camping-Ausflug so ziemlich alles vergessen haben – inklusive Tisch.
Das besondere am Camping ist, dass es einem die Möglichkeit bietet, nicht nur inmitten der Natur zu sein, sondern auch täglich den Ort zu wechseln, ohne lästiges ein und auspacken und Eingewöhnen in die neuen vier Wände. Speziell Schweden ist zum Paradies für Camper geworden. Einerseits dank dem „Jedermannsrecht“, das vielerorts wildes Zelten und Campen erlaubt. Aber auch, weil es an den Küsten und Seen zahlreiche Campingplätze mit Infrastruktur für Jung und Alt gibt. Vom Erlebnispool bis hin zur kleinen Kneipe mangelt es an nichts. Die Küchen sind mit Kühlschränken, Backofen Mikrowelle und Essensplätzen ausgestattet, perfekt auch für Fahrradfahrer beim Campingplatz-Hopping.
Das Wasser plätschert und nur der Motor eines kleinen Holzbootes knattert, während es den Bootssteg des Campingplatzes in die schier endlose Schärenlandschaft verlässt. Es wird geschwommen, gepaddelt und gesurft. Aber aufgepasst, auf einem Felsen schießt ein Golfer seine Bälle hinaus aufs Wasser. Neben ihm stehen kopfschüttelnd ein paar Angler, bei denen es trotz skurriler Ablenkung selbst die ungeübten recht schnell schaffen, voller Stolz die ersten Makrelen aus dem Wasser zu ziehen. Bei den zwei Familien aus Bochum, die sich mit ihren Wohnwagen und Zelten ein kleines Fort errichtet haben, schallt passenderweise das Lied „Beautiful Day“ von der Band U2 aus der Musikanlage. In den Anfängen des Campings wäre wohl Gloria Gaynor mit ihrer Hymne „I will survive“ treffender gewesen. Aber hier fehlt es heute an nichts. Das mitgebrachte Fässchen deutsches Bier wird angezapft, während Bratwurst und Fleisch auf dem üppig belegten Grillrost schmoren. Wer denkt, es sei bereits Nachmittag oder Abend, hat sich geirrt. Bei den Campern laufen die Uhren etwas anders. Ab 10 Uhr morgens fangen hier bereits die ersten Bratwürste an zu duften, während sich andere noch ihr Frühstück schmecken lassen.
Aber nicht nur die idyllische Natur, sondern auch Schwedens Großstädte wie Göteborg oder Malmö lassen sich dank dem großen Netz an Camping- und Stellplätzen wunderbar und ohne Angst um Hab und Gut erkunden. Abends, nach einem anstrengenden Stadtrundgang, lässt sich der Tag dann am besten unter der Markise des eigenen Wohnmobils genießen – Sonnenuntergang inklusive. „The time of my life“, die beste Zeit meines Lebens, wäre hierzu jetzt der perfekte Song.
Infos:
Anreise:
Am komfortabelsten ist die Anreise per Fähre ab Travemünde mit TT-Line (www.ttline.com) oder ab Kiel mit Stena Line (www.stenaline.de).
Auf dem Landweg kann man Schweden über die gebührenpflichtige Öresundbrücke erreichen.
Camping:
Wohnmobile können über McRent ab Deutschland oder Schweden gemietet werden: www.mcrent.de
Ein Verzeichnis der Campingplätze gibt es unter: www.camping.se
Für den Aufenthalt auf den Campingplätzen wird die Campingkarte „Camping Key Europe“ benötigt, die auf o.g. Website für 150 SEK online bestellt werden kann.
Beste Reisezeit:
Viele Campingplätze in Schweden sind ganzjährig geöffnet. Besonders schön zum Campen ist der Sommer von Juni bis Oktober.
Weitere Informationen:
www.visitsweden.com auch auf Deutsch.
Text und Fotos von Carolin Thiersch