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Fahrt ins Glück

Fahrt ins Glück

Reisetipps

Ab auf die Piste

Diesmal sollte alles anders werden: Perfekter Schnee und optimale Pisten sollten nicht vom Buchungsglück abhängen. Wir wollten selbst auf die Jagd gehen und unser Reiseziel so kurzfristig wie möglich wählen. Endlichmal kein Roulette, bei dem man sich schon Monate im Voraus für ein Skigebiet entscheiden musste, sondern Mobilität für den Topspot. Die Lösung: Ein wintertaugliches Wohnmobil!

Dethleffs GlobeR

Mein langjähriger Skigefährte Axel aus Köln hatte gut reden, als er an einem sonnigen Spätsommertag nicht nur Würstchen vom Grill, sondern auch die kühne Idee eines Skiurlaubs per Wohnmobil auf den Tisch brachte: „Nach Weihnachten ist eh alles ausgebucht – nur mit einem Reisemobil können wir spontan jeden Ort der Alpen ansteuern!“ Damit hatte er natürlich nicht Unrecht, aber bisher waren wir es doch eher gewohnt, uns in schmucke Hotels oder komfortable Apartments einzubuchen. Doch was tut man nicht alles für das Skivergnügen?
 Neue Ideen brauchen Raum, auch wenn jener in einem Wohnmobil ziemlich knapp bemessen ist!

Die Suche nach dem Mutterschiff

Sieben Mitreisende kristallisierten sich heraus. Spät im Dezember machte ich mich an die Recherche und schnell konnte ich konkrete Angebote ausfindig machen. Selbst so kurz vor unserer geplanten Skireise waren noch Wohnmobile zu haben. Dank „Nebensaison“ erwiesen sich die Mietkosten zudem als äußerst günstig.Trotzdem hält sich die Euphorie der Millionen deutscher Skisportler für eine Wintertour im Wohnmobil in Grenzen. „Im Sommer haben wir mehrere Dutzend Reisemobile im Verleih, im Winter reichen insgesamt sechs“, erklärte ein Dortmunder Verleihexperte beim telefonischen Vorab-Gespräch. Nun gab es kein Zurück mehr. Die Buchung wurde dingfest gemacht. Unser fahrbarer Untersatz würde für den täglichen Mietpreis von 88 Euro zehn Tage lang unser Hotel sein. Und die Hotelbeschreibung klang nicht schlecht: „Ein Luxusmobil mit sechs Sitz- und Schlafplätzen – einfach riesig mit großer Heckgarage.“ Als wir das Gefährt der Marke Dethleffs dann in Empfang nahmen, waren wir ziemlich erstaunt über Ausstattung und Ausmaße. Fast sieben Meter lang, nagelneue Winterreifen, 3.500 Kilogramm schwer, unter der Haube ein Dieselmotor mit 131 PS und Schneeketten, Kabeltrommeln sowie spezielle Ausrüstung für Campingplätze waren genauso an Bord wie drei Gaskochfelder, ein Kühlschrank, Dusche, WC und diverse Stauräume. An Gepäck konnten üppige 515 Kilogramm zugeladen werden. Selbst die Tatsache, dass jeder von uns mindestens zwei Paar Ski mit sich führte und wir sämtliche Stauräume mit umfangreichem Textil-Equipment sowie ausufernden Lebensmittel-Einkäufen vollstopften, konnte unseren „Family Luxury“ nicht in die Stoßdämpfer zwingen. Nicht ganz unwichtig für Winterreisende im Wohnmobil: die Heizung. In unserem Fall eine Standheizung der Marke Webasto, die nicht mit Gas, sondern mit dem Kraftstoff, der ohnehin im Tank ist, betrieben wurde: Diesel. Die Horrorvorstellung, bei leerer Gasflasche nachts mit Rohrzange und klammen Fingern in die eisige Kälte hinaus zu müssen, blieb uns damit erspart.

Endlich die Abreise

So müssen sich Brummi-Fahrer fühlen, erhaben hoch über den Dingen und mit dem prickelnden Gefühl von Freiheit und Abenteuer im Bauch. Doch zunächst sollten wir überhaupt einmal ein Reiseziel festlegen. Wie viele Stunden hatten wir im Vorfeld nicht schon auf den einschlägigen Wetter-Websites verbracht? Großflächige Schneefälle lassen sich aber nun mal nicht herbeisurfen. Auf einem Parkplatz kurz vor Frankfurt fiel dann die Entscheidung. Teile des Schweizer Kantons Graubünden, insbesondere St. Moritz und Staulagen wie Madesimo in der italienischen Lombardei hatten in den letzten Tagen die ergiebigsten Schneefälle erhalten. Laut Prognose standen neue Niederschläge bevor, und zwischendurch sollte sich auch mal die Sonne zeigen.„Perfekt“, sagte Yvonne, „dann plädiere ich für St. Moritz – tolle Skigebiete, super Atmosphäre und ein wenig Shopping in der mondänen City kann ja nicht schaden.“ Der Kontrast hätte nicht krasser sein können. Wir mit unserem vollgepackten Wohnmobil am Tummelplatz der Schönen, Chicen und Reichen.
Gegen Abend fuhren wir auf Chur zu. Plötzlich klingelte mein Mobiltelefon. Eine Freundin, die per Reisebus in einen Nachbarort von St. Moritz wollte, war in der Leitung. „So ein Mist, meine Abreise wird sich wohl verschieben, da die Julierpass-Straße angeblich von einer großen Lawine verschüttet wurde“, krächzte sie mir verärgert ins Ohr. Nicht um am Ende des Gesprächs noch zu fragen: „Achja, für welches Reiseziel habt ihr euch mit eurem Wohnmobil denn jetzt entschieden?“ Der Schweizer Rundfunk brachte uns schnell auf Höhe des Geschehens. In der Tat, es stimmte, der Julierpass blieb für die nächsten 24 Stunden gesperrt, und der alternative Anreiseweg über die Albula-Autoverladung quoll nur so über vor Stau. Noch während der Fahrt war ein neues Ziel für unsere ersten Schwünge gefunden. „San Bernadino soll auch richtig viel Schnee haben und liegt direkt auf dem Weg!“, tönte Kilian hinten vom Tischplatz.

Pano

Erstmal Lasange mit Birra grande

Unmerklich aufwärts führte die breite Straße, bis wir schließlich den San-Bernardino-Tunnel durchquert hatten und im kleinen, gleichnamigen Dörfchen landeten. Sieben Portionen Lasagne und diverse Birra grande später standen wir auf dem frisch von großen Schneemengen geräumten Parkplatz des unteren Sessellifts. Klirrende Eiseskälte von minus 12 Grad Celsius umfing uns, als wir vorsichtig die Nasen aus der Tür steckten. „Ein perfekter Test für unsere Heizung!“, freute sich Markus. In mir glomm eher die Sorge, ob das Ding bei diesen arktischen Temperaturen zuverlässig funktionieren würde. Aber alles blieb mollig warm. Die erste Wohnmobil-Nacht war geschafft. Zum Einschwingen war das kleine Skigebiet von San Bernadino mit seinen 40 Pistenkilometern ideal, aber moderne Nomaden wie uns lockte nach Liftschluss die Weiterreise. Der Julier war wieder frei, und in knapp zwei Stunden erreichten wir das legendäre Tal im Oberengadin. Ein lauschiger Parkplatz fand sich direkt unterhalb der Talstation Surlej am Fuße des Corvatsch. Leider war diese Nacht nicht so wohlig wie zuvor. Bei Außentemperaturen aufdem Niveau eines Drei-Sterne- Frostfachs fiel unsere Standheizung gegen 3:00 Uhr morgens in einen ähnlich tiefen Schlummer wie wir selbst. Entsprechend ausgezehrt krochen wir aus den Betten. Aber ein starker Kaffee und der Skitag mit frischem Neuschnee, wärmender Wintersonne und den zahlreichen Pistenkilometern zwischen Piz Corvatsch und Furtschellas entschädigten uns für die nächtlichen Strapazen. Markus und Jörg, die beiden Ingenieure unter uns, entlarvten das Heizungsproblem dann schnell als Batterieproblem und isolierten unsere wichtige 12-Volt-Stromquelle mit allerlei Decken. Danach war es kein Problem, die Heizung tagsüber, während wir uns auf den Pisten austobten, auf kleinster Stufe köcheln zu lassen. Ein warmes Wohnmobil empfing uns so bei der Rückkehr.

Ski-Wohnmobil innen

Erst tanken, dann Italien

Obwohl wir auf dem Weg zum abendlichen Restaurantbesuch in Silvaplana mehr rot-weiß leuchtende „Wohnmobil-Verboten-Schilder“ sahen als freie Parkplätze, hielten wir noch eine weitere Nacht auf unserem „wilden“ Stellplatz durch. Danach war klar: Entweder einen örtlichen Campingplatz ansteuern oder ein neues Skigebiet. Also manövrierten wir unser großes Gefährt über den schmalen Maloja-Pass Richtung Italien. Dort ging es auf den kurvigen Splügen-Pass, von dem irgendwann eine kleine Bergstraße Richtung Madesimo abzweigte. Mit einem Wintercampingplatz konnte man in dem abgelegenen Örtchen nicht rechnen, dafür gab’s echtes italienisches Lebensgefühl, einen großen Parkplatz in Nähe des Sessellifts und die lombardische Leichtigkeit des Seins: „No problemo!“, schallte es uns entgegen, als wir den Fahrer des örtlichen Schneeräumdienstes fragten, ob wir hier, unweit seiner Garage und Werkstatt, mit unserem Wohnmobil parken dürften. Nicht genug damit, im nächsten Moment hatte der freundliche Mann unsere Kabeltrommel in der Hand, rollte noch eine weitere aus und stöpselte unser Mobil an eine seiner 230-Volt-Steckdosen. Heizungsproblem ade, wir waren autark! Stereoanlage, iPod, Fön und Skischuhwärmer konnten nun nach Herzenslust betrieben werden. Als dann gegen Abend noch fette Flocken vom Himmel rieselten, brachte Jörg es auf den Punkt: „Hier bleiben wir. Einen besseren Ort finden wir nicht!“ Wie Recht er hatte, denn nicht nur die massiven Schneefälle der nächsten Tage und das verwunschene Skigebiet mit seiner abenteuerlichen Uralt-Seilbahn auf fast 2.900 Metern, sondern auch die fantastische italienische Kochkunst, machten uns das Leben mehr als angenehm. Vier ereignisreiche Skitage in diesem weitab jeder traditionellen Reiseroute gelegenen Ort gönnten wir uns, bevor wir Bella Italia mit einer Träne im Knopfloch wieder verließen.

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Käse überm Gotthard-Tunnel

Als perfekter Abschluss lockte ein uns allzu bekanntes Skigebiet, das wir ideal in unsere Rückreise über die Gotthard-Autobahn einbauen konnten: Andermatt in der Schweiz. Für die eine Nacht drückten sogar die Schweizer Parkwächter beide Augen zu und ließen uns großzügig auf dem riesigen Platz hinterm Bahnhof campieren. Beim gewohnt guten Käsefondue im Ochsen zelebrierten wir den letzten Abend in vollen Zügen und rollten uns Stunden später wie die Schweizer Käse in die Wohnmobil-Kojen. Ach ja, einen letzten Skitag gab’s auch noch. Fast. „Wegen Überfüllung nicht genossen!“, könnte man sagen, denn zu viele andere Skibegeisterte kamen an diesem strahlend schönen Sonntag ebenfalls auf die Idee, ein paar Schwünge in den frischen Schnee am Gemsstock ziehen zu wollen. Früher als geplant machten wir deshalb unser rollendes Wohnzimmer abreisefertig. Schließlich ist bei so einer Wohnmobil-Tour der Weg das Ziel – selbst dann, wenn es Richtung Heimat geht.

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Wintercamping in und um St. Moritz

Neun Campingplätze finden sich in der Gegend rund um St. Moritz im Oberengadin, vier davon öffnen auch im Winter ihre Pforten. Der Campingplatz Gravatscha liegt in Samedan, 5 Kilometer von St. Moritz entfernt. Neu ab der Saison 2010/2011 ist die Winteröffnung. 24 Stellplätze für Wohnmobile sind vorhanden:
www.camping-gravatscha.ch

Ebenfalls in Samedan befindet sich der TCS Campingplatz Punt Muragl. Man wohnt direkt an der Langlaufloipe und muss pro Tag 19 Sfr fürs Wohnmobil und 6,80 Sfr pro Person einkalkulieren.:
www.campingtcs.ch

Als „Perle der Engadiner Freiluft-Hotellerie“ versteht sich Camping Madulain zwischen St. Moritz und Zernez. 50 Meter vom Campingplatz entfernt liegt der Bahnhof, so dass alle Skigebiete mit der Rhätischen Bahn angesteuert werden können:
www.campingmadulain.ch

1.860 Meter hoch und damit der höchstgelegene Wintercampingplatz Europas ist Camping Plauns am Fuße des Morteratschgletschers in Pontresina. Die Stellplätze sind nicht in Parzellen eingeteilt und ein Lieblingsplatz damit frei wählbar:
www.camping-morteratsch.ch